Es gibt im Radsport zwei goldene Regeln: Auf dem Weg nach Paris wird das Gelbe Trikot nicht mehr angegriffen. Und es führt kein Weg an Shimano vorbei! Spaß beiseite, das ist jetzt etwas überspitzt … Der weltgrößte Hersteller für Komponenten und Fahrradzubehör ist allerdings auch auf dem Feld der Radbekleidung breit aufgestellt. Aber die Radklamotten der Japaner sind vom Design her oft nicht die hippesten, deshalb gehen sie manchmal unter im Vergleich zu Marken wie Pearl Izumi, Castelli und Vaude. Aber lassen wir den Style mal beiseite, wichtig ist doch die Funktion auf dem Rad. Draußen ist es richtig kalt: Perfekte Bedingungen, um ein geschlossenes Winteroutfit zu testen! Was bieten Shimanos Radklamotten für die kalte Jahreszeit?
Inhalt
Uhhh, ist das kalt
„Der Winter ist definitiv keine Rennradzeit. Wer das nicht akzeptieren will, der muss sich wenigstens winterfest ausstatten. Und kann für die Sicherheit ein bisschen Luft ablassen … wobei ich finde, dass, so lange der Untergrund trocken und nicht von zu viel Laub gesäumt ist, Grip und Fahreigenschaften okay sind.
Gute Bekleidung sollte jetzt umfangreichen Schutz vor den Elementen bieten und ausreichend atmungsaktiv sein, damit die Nässe von innen bei Belastung nicht zum Problem wird. Shimano hat dafür jedenfalls einen Plan – das lassen die zahlreichen Schildchen erahnen, die an den Sachen hängen. Die ergeben eine richtig schöne Sammlung und zeigen auf, was Shimano hier reingesteckt hat.
Vor allem beim aktuellen Wintertrikot kommen neueste Materialtechnologien zum Einsatz. Die Auffälligste darunter ist sicherlich das weiterentwickelte Metallic Thermal Tech: Der Hersteller gibt an, dass das Gewebe die vom Körper abgegebene Infrarotstrahlung reflektiere, um so die zwischen Haut und Kleidung befindliche Luftschicht effektiv zu wärmen. Es sieht jedenfalls auch sehr funktionell aus! Zudem wurde die wasserabweisende Beschichtung nach eigenen Angaben verbessert. Diese Technologien sind Part von SHIMANO 37 °C und sollen also der Thermoregulierung dienen. In den Handschuhen sind sie ebenfalls verbaut.
Das liebe Thema Größen
Was die Größe angeht, habe ich mich exakt an die Größentabelle gehalten. Bei einer Größe von 1,79 m und 75 kg (also eigentlich 70 kg + 5 kg Winterspeck :-)) ordnet sie mich für Hose und Trikot bei Größe L ein. Und das passt wirklich gut!
Größentabellen sind bei uns immer so ein Thema, viele Hersteller nehmen es nicht so genau. Deshalb schien es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass es bei Shimano anders ist und die Werte eine verlässliche Orientierungshilfe bieten. Denn Fahrradbekleidung, insbesondere Rennradbekleidung, muss einfach passgenau sein und gut sitzen, sonst kann sie ihre Funktion nicht wahrnehmen.
Auch Überschuhe und Handschuhe habe ich nach den jeweiligen Größentabellen rausgesucht – beides passte.
Meine Shimano-Eindrücke
Winter Thermal – Langarmtrikot
Die Passform ist gut abgestimmt für ein warmes Wintertrikot: nicht zu eng, nicht zu weit. Radbekleidung für den Winter sollte nicht ganz so eng sein wie das Sommertrikot. Durch den breiten Hüftbund sitzt Shimanos Winter Thermal Langarmtrikot fest und rutscht nicht, der Kragen schließt gut, so dass keine Luft eindringen kann, aber auch nicht zu eng, so dass es unangenehm wäre. Auffällig ist die Konstruktion des Rückens: Während unter den Taschen Metallic Tech zum Einsatz kommt (was von innen ziemlich fancy aussieht!), um an dieser Stelle Wärme zu generieren und die Nieren warm zu halten, dient ein schwarzer Streifen bis hoch zum Kragen dem Abtransport der entstehenden Feuchtigkeit.
Die Arme haben die richtige Länge, sie rutschen auf dem Rad nicht – auch in tief gebückter Haltung mit Griff am Unterlenker – hoch, was eine unangenehme Wärmebrücke bilden würde. Die Rückentaschen sind gut erreichbar und bieten ausreichend Platz. Die spezielle wasserabweisende Beschichtung auf dem verwendeten Stoff kann man fühlen. Innen ist das Material angeraut, zudem sind die vorderen Nähte getapt, der Reißverschluss innen ist mit Stoff hinterlegt. Das Trikot bringt also einen leichten Schutz gegen Wasser mit, hält den Wind zurück und auch warm.
Das Trikot kratzt für mich an der Jacke. In Kombination mit einem langärmligen Windschutz-Funktionshemd funktioniert es für mich bis 3 °C – darunter wird es eng, denke ich. Das konnte ich allerdings noch nicht testen. Eine normale Windweste als zusätzlichen Schutz in den Abfahrten, mehr braucht es für mich nicht. In dieser Konstellation wird auch die Verdunstung noch aufrecht erhalten, was wichtig ist, denn sonst wäre man bereits nach einer kleinen Belastungsspitze dauerhaft nass – ich jedenfalls.
Für niedrige Temperaturen braucht es aber ganz klar eine richtige Jacke – übrigens würde ich auch diese nur mit einem langen Unterhemd tragen. Gehe ich auf dem Rennrad über drei Schichten, ist die unterste garantiert die ganze Zeit nass.
Winter Bib Tights
Mein Standard-Setup für die Kälte ist eigentlich die normale Radhose mit einer langen Tights drüber – auch die doppelten Träger wärmen dann. Ich war etwas skeptisch, ob die Winter Bib Tights allein reicht. Für die Hose gilt Ähnliches wie für das Trikot: Sie wärmt und schützt ausreichend, auch in der empfindlichen Polsterregion wird es nicht kalt.
Die Träger sitzen gut, durch das Meshmaterial kann die Feuchtigkeit entweichen. Bei meiner erwähnten doppelten Trägerkombi des einstigen Winteroutfits war ich hier immer als erstes durchgeschwitzt. Der Reißverschluss am Bauch ist super praktisch – das klassische Trägerhosenproblem beim Wasserlassen damit nicht vorhanden! Und beim Fahren ist er nicht zu spüren, so dass er keineswegs stört. Ebenfalls praktisch sind die Reißverschlüsse an den Beinenden: Sie machen das Anziehen ganz klar einfacher. Reflektierende Elemente gibt es, aber es könnten mehr sein. Das Polster sitzt sich gut. Es ist vorgeformt und weist eine gute Stärke auf, nicht zu dick, nicht zu dünn für eine Winter-Radhose.
Windbreak Reflective Thermohandschuhe
Für einen Winterhandschuh macht der Windbreak Reflective einen eher dünnen Eindruck. Das ist natürlich erstmal gut für die Lenker-Kontrolle, dachte ich. Aber wird das nicht zu kalt? Die fehlende Dicke täuscht. Shimano hat hier eine gute Mischung aus winddichtem Stoff und angerautem Material innen gefunden, die warme Finger bis 0 °C möglich macht. Und ein super Handling des Rades.
Dezente Polster sorgen für Komfort, damit sind auch längere Strecken kein Problem. Die Verarbeitung ist in Ordnung, die Handschuhe sind robust genug, um einige Winter-Radsaisons mitzumachen – das spürt man. Die Bedienbarkeit von Touchscreens funktioniert, ob Smartphone oder Garmin.
S1100R H2O Überschuhe
Auch hier ist Shimanos Größenempfehlung zutreffend. Meine 44er-Sidi-Radschuhe passen in die Überschuh-Größe L (42-44). Auch das Anziehen geht gut: Erst die Fußspitze rein, der Cleat rutscht dann in seine Öffnung – dann die Verse hochziehen, Reißverschluss schließen, Klett ebenso – fertig. Seit ich sie habe, macht sogar mein Lieblingssatz aus der Produktbeschreibung Sinn: ‚Der anatomische 3D-Schnitt der Zehenbox entspricht dem Straßenradschuh.‘ Kann ich nur zustimmen.
Dass hier kein Wasser eindringen kann, fühlt man direkt. Das Material ist widerstandsfähig, aber dennoch flexibel genug, um die Trett-Bewegung mitzumachen und beim Anziehen keine Probleme zu bereiten. Die S1100R H2O schließen eng am Bein ab, was wichtig ist, denn sonst läuft das Wasser hier rein. Das gilt es zu vermeiden, sonst wird es bereits bei wenig Regen richtig nass.
Kalte Füße waren bisher, bei Touren von knapp über Null bis ca. 8 °C, überhaupt kein Problem. Die Überschuhe bieten Schutz und machen exakt, was sie sollen. Sie sind laut Shimano bis zu einer Temperatur von 0 °C geeignet. Das geht in jedem Fall in Ordnung, das kann ich bestätigen.
Um an dieser Stelle mal ein generelles Überschuh-Missverständnis aufzuklären: Das Material ist zwar wasserdicht, aber das heißt nicht, dass der Fuß bei Regen nicht nass wird! Denn die Sohle des Überschuhs ist ja offen, was sie allein wegen dem Cleat sein muss, und wenn es richtig regnet, dann kommt das Wasser von überall – dass alles nass wird, ist normal! Doch selbst dann schützt der Überschuh noch vor Kälte, denn der Wind, der die Nässe verdunsten würde und es kalt werden lässt, dringt ja nach wie vor nicht ein.
Alles in allem … mein Winter-Fazit für Shimano
Besonders das Trikot hat mich überzeugt. Schlichtes Design, gute Verarbeitung, tolles Gesamtpaket aus Wärme und Schutz, die Passform ist top. Zum Preis von aktuell 74,95 Euro ist das Winter Thermal eine klare Empfehlung.
Auch die Hose bringt eine gute Wärmeleistung. Shimano gibt einen Temperaturbereich bis 0 °C an. Das ist etwas optimistisch, denke ich. Spätestens bei 3 – 4 °C braucht man mehr Material-Power, dann wäre zumindest eine winddichte Membran angebracht. Auch hier stimmen Passform, Leistung und Preis. Schon die UVP ist in Ordnung, der aktuelle Preis ist natürlich super für eine Winter-Radhose. Die Accessoires haben ebenfalls einen guten Eindruck hinterlassen; funktionell, robust und ohne unnötige Schnörkel konzipiert, machen sie das, was sie sollen.
Ich war schon ein wenig positiv überrascht: Shimano-Bekleidung kann eine gute Alternative zur teuren Konkurrenz sein, zu den großen Marken im Bereich der der Radsportbekleidung.
Reflektierende Details sind vorhanden, aber es könnten mehr sein und sie könnten durchaus etwas präsenter erscheinen – gerade bei der Hose. Denn beim heutigen Verkehrsaufkommen ist das ein Muss! Einzig der Überschuh sticht da heraus, aber hier handelt es sich ja auch um die Hi-Vis-Variante, das verwundert also nicht weiter.“