Seit 1988 fertigen die Leichtgewichtsspezialisten von Zipp hochwertige Carbon-Komponenten. Der Fokus der Firma liegt auf dem Rennrad: Zipp ist eine feste Größe im internationalen Radsport und stattet zahlreiche Teams und Fahrer aus. Ursprünglich aus Speedway, Indiana, ist das Hauptquartier heute in Indianapolis, ebenfalls im Bundesstaat Indiana. Am Anfang stand bei Zipp das Carbon-Laufrad, mittlerweile fertigen sie auch weitere Komponenten aus dem Lieblingsstoff der schnellen Fahrer. Daneben wurde die Produktpalette zudem um andere Materialien erweitert: Seit 2010 gibt es auch aus Aluminium gefertigte Zipp-Fahrradteile.
Zipps Ursprünge liegen also in der Geschwindigkeit – und die Firma ist bis heute dort verortet, auch wenn sie nicht mehr in Speedway sitzt :-). Und einen passenden Firmen-Slogan hat man auch: Zipp Speed Weaponry!
Wir wollten uns mal genauer anschauen, was die Carbon-Komponenten wirklich können, oder ihnen der gute Ruf nur vorauseilt. Was lag da näher, als unser Radon-Testrad mit Carbon-Teilen aus der Hightech-Schmiede auszustatten und ein paar Runden zu drehen.
Inhalt
Das Testrad
Carbon-Komponenten brauchen natürlich auch einen entsprechenden Rahmen. Dürfen wir vorstellen? Ein Radon-Traum in Carbon: Der Rahmen ist ein Vorabmuster zu Entwicklungs- und Abnahmezwecken. Es ist letztlich der aktuelle Vaillant-Rahmen – allerdings sind einige kleine Details anders, so z. B. die Ausfallenden. Und die Farbe entspricht nicht den finalen Farben, mit denen die beiden Versionen auf die Straße losgelassen wurden. Der Rahmen wiegt genau 1263 leichte Gramm in Rahmengröße 53 (cm).
Die Ausstattung unterschiedet sich allerdings komplett vom Vaillant. Wir haben es zu einem Testrad für besondere Komponenten gemacht, wollten sie für sich und im Zusammenspiel testen. Neben den Zipp-Komponenten, die Gegenstand dieses Tests sind, befindet sich an dem Rad SRAMs Red eTap in der Version mit hydraulischen Scheibenbremsen. Und ein Garmin Edge 1030, um zu testen, ob die vom Rad produzierten Daten auch wirklich angezeigt werden können.
Unsere Regelung für das Radon-Testrad: Wer das Rad fahren möchte, kann es mitnehmen und nach Belieben Kilometer machen und testen. Das hat unter anderem Guido gemacht.
Guido testet Zipps Carbon-Fraktion
„Wir sind in die Vollen gegangen: Feine Carbon-Laufräder und ergänzend dazu direkt Vorbau und Lenker aus dem Werkstoff, von dem passionierte Radfahrer träumen. Besonders gespannt war ich natürlich auf die Laufräder. Können sie ihren Anschaffungspreis mit der entsprechenden Performance rechtfertigen?
Die Laufräder: 303 Firecrest
Bei den Laufrädern haben wir uns für die Clincher-Versionen entschieden. Bei Zipp hat man immer die Wahl zwischen der Ausführung für Schlauch- oder Drahtreifen. Dass man das so konsequent macht, zeigt den Anspruch von Zipp, denn Schlauchreifen werden hauptsächlich von Profis gefahren oder von sehr ambitionierten Rennradfahrern. Sie sind einfach schneller, aber eben auch aufwendiger zu handhaben. Ein paar schnelle Infos zum Laufradsatz:
- Felgenbreite außen: 28,5 mm
- Felgenhöhe: 45 mm
- Dimension (ETRTO): 21-700C
- Ventilloch: SV (6.5 mm)
- Speichen: 24
- Einspeichmuster: 2-fach gekreuzt
- tubeless fahrbar
- Disc-Standard: Center-Lock
- Maximal empfohlenes Systemgewicht: 115 kg (Körpergewicht + Fahrrad + Ausrüstung)
- Material
- Felge: Carbon
- Nabenkörper: Aluminium
- Speichen: Edelstahl
- Nippel: Aluminium
- Gewicht (Herstellerangaben)
- Vorderrad: 720 g
- Hinterrad: 810 g
Die vom Hersteller angegebenen Gewichte entsprechen der Realität, beim Hinterrad haben wir 803 g gemessen, beim Vorderrad 712 g. Das kommt alles hin, Zipp ist also um genaue Werte bemüht – sehr löblich.
Firecrest-Technologie
Die Firecrest-Technologie wurde von Zipp selbst entwickelt. Das Ganze findet bereits auf einer höheren ingenieurstechnischen Ebene statt, sprich, hier wird mit Werten und physikalischen Konzepten hantiert, die der normale Mensch nicht mehr versteht.
Aber so viel sei dazu gesagt: Bei Zipp hat man irgendwann gemerkt, dass es nicht sinnvoll ist, sich ausschließlich auf die vordere Hälfte des Laufrades zu konzentrieren, sondern auch der hinteren Hälfte mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Vor Firecast war es nämlich so: Es wurde stets nur geschaut, wie das Laufrad sich in den Wind gestellt verhält. Und nicht wie das Laufrad sich quasi aus dem Wind bewegt.
Das hat Zipp geändert und dementsprechend die Felgenform konzipiert. Firecrest-Felgen haben eine weniger ausgeprägte Wölbung und halten eine nahezu konstante Breite fast bis zum Felgenbett. Das mache sie, so Zipp selbst, insgesamt aerodynamischer und speziell gegenüber Seitenwind unempfindlicher.
Da ich schon einige Aero-Laufräder vorher gefahren bin, habe ich einen Vergleichspunkt. Und muss sagen, dass Firecrest wirklich funktioniert. Die Anfälligkeit gegenüber Seitenwind ist nicht vorhanden, das Rad lässt sich auch in diesen Bedingungen einwandfrei steuern. Von der Aerodynamik her fühlen die 303er sich gut an – wie viel Watt Ersparnis sie bringen, kann ich aber natürlich nicht sagen. Nur so viel sei bemerkt: Sie sind schnell. Und sie sind leicht!
Wenn man bedenkt, dass das Gewicht eines Laufrades doppelt zählt – es trägt zur gesamten Masse des Fahrrads bei, zudem muss es in Rotation versetzt werden – und das bei einem Aerolaufradsatz ja eben noch nicht alles ist! Das bessere Verhalten im Wind, sprich weniger Widerstand, kommt sogar noch hinzu!
Robustheitscheck
Diese Felgen fühlen sich einfach schön an, man kann die hochwertige Verarbeitung spüren. Darüber hinaus sehen sie auch gut aus. Zipp druckt die Grafiken mit einem speziellen Verfahren auf, so dass sie haltbarer sind – das merkt man. Zudem sei das Luftstrommanagement dadurch verbessert worden, was sich aber natürlich nur im Labor nachweisen lässt.
Zipp hat die 303er nicht als reine Wettkampflaufräder gebaut, sondern sagt selbst, dass sie für das tägliche Training konzipiert seien und gar auf rauen Untergründen wie Kopfsteinpflaster klarkommen.
Das stimmt bis zu einem bestimmten Fahrergewicht, welches wahrscheinlich knapp unter 80 kg liegt, darüber wird es schwierig. Die Speichenspannung ist gut, sie fahren sich sicher und robust – auch bei Schlaglöchern oder sonstigen Unwägbarkeiten. Auch nach mehreren Ausfahrten konnte ich kein Spiel feststellen, keine Ansätze eines Seiten- oder Höhenschlags.
Was mir allerdings negativ aufgefallen ist: Das Fahrergewicht ist meiner Meinung nach beim 303er-Laufradsatz recht limitiert. Kommt man über die 80 kg, ist dies im Wiegetritt zu spüren, es wird ‚weich‘. Neben mir hat auch ein weiterer Kollege, der aufgrund seiner Körpergröße einfach mehr Kilos mitbringt, es so empfunden: Bei Vollbelastung fehlt etwas Stabilität.
Reifenwahl
Auf unsere 303er-Drahtreifenausführung haben wir den Zipp Tangente Course R25 aufgezogen. Mit 25 mm verfügt er schon über eine ordentliche Breite. Es gab Zeiten, da ist man vorne mit 19 mm gefahren … Dennoch ist das Gewicht mit circa 180 g okay.
Die Reifen haben ausreichend Grip in trockenen Bedingungen, für die sie auch ausgelegt sind. Bei Nässe geht es auch noch, doch da gibt es sicherlich bessere Reifen. Das Handling ist gut, auch in Kurven erhält er den Grip abseits der Mitte aufrecht.
Da Zipp den Laufradsatz ebenfalls in der Schlauchreifenausführung anbietet, hier ein kleiner Abstecher: Schlauchreifen sind die schnellsten Reifen unter den Fahrradpneus. Sie sind leichter als die Kombi aus Mantel und Schlauch, gleichzeitig von der Pannensicherheit her aber auf demselben Niveau. Allerdings sind sie nicht gut zu handhaben, wenn es doch mal passiert und die Luft durch eine Beschädigung flöten geht. Denn Schlauchreifen werden auf die Felge geklebt. Es wird hier nicht mit einer klassischen Wulst in der Felgenflanke gearbeitet. Luft ablassen und runter damit geht also nicht so einfach. Schlauchreifen finden vor allem im Profibereich Verwendung – aber die Jungs müssen ihre Reifen ja auch nicht selbst flicken.
Vorbau & Lenker
Das Zipp-Paket am Testrad wird abgerundet durch den SL Sprint Carbon-Vorbau mit einer 31,8-mm-Lenkerklemmung – passend zum SL-70 Aero Rennradlenker.
Der Vorbau kommt in der 100-mm-Variante auf 162 leichte Gramm und ist stabil genug, um richtig Power mitzumachen im Wiegetritt. Der SL-70 ist mit einer Breite von 38 bis 44 cm erhältlich. Wir haben die 44-cm-Variante gewählt (Zipp misst von der Rohrmitte, also ist er Außenkante gemessen breiter). In dieser Breite wiegt er 250 g, was ein super Wert ist. Er ist steif genug, um richtig dran ziehen zu können. Gleichzeitig bietet der Lenker, unterstützt vom Vorbau, eine spürbare, sehr angenehme leichte Dämpfung – wie ein Carbonrahmen eben auch. In der Kombi ist das eine gehörige Portion Fahrkomfort!
Dass der Lenker aerodynamisch vorteilhaft ist, sieht man, denn er ist sehr flach. Und spürt es auch, wenn man den Oberlenker greift. Diese Breite ist ungewohnt – und ich muss sagen, ich mag es überhaupt nicht … wenn ich zu lange oben greife, schlafen mir sogar die Daumen ein. Schnell und leicht ist er, aber vom Oberlenkergriff her gewöhnungsbedürftig. Dafür verfügt er über das Rapid-Routing™-System, was die interne Zugverlegung einfach macht. Dementsprechend hatte Bungi bei der Montage auch keine Probleme.
Die Leistung und der Preis
Keine Frage: Zipp-Komponenten spielen nicht nur vom Leistungsvermögen auf einem hohen Niveau, sondern auch vom Preis. Man kann es ruhig aussprechen: Sie sind teuer. Aber das geringe Gewicht und die Aerodynamik sind einfach enorm. Wer jedem Gramm nachjagt, der kommt auf seine Kosten. In Kombination mit einem Carbon-Rahmen ist der Unterschied zu einem einfachen Alurenner mit Standardfelgen mehr als spürbar, er springt einen förmlich an. Aber den meisten Rennradenthusiasten erzähle ich hier wahrscheinlich nix Neues … Und was die Preise angeht: Bei uns gibt es ja auf Zipp immerhin satte Rabatte, vor allem auf Vorbau und Lenker. Da kriegt man in jedem Fall schon mal einen Spitzen-Preis.“