Pirelli ist eigentlich in erster Linie bekannt als einer der führenden Anbieter für Premium-Auto- und Motorradreifen. Seit 2011 sind sie zudem exklusiver Lieferant der Formel 1 und beweisen ihr Reifen-Know-how auf den schnellsten Rennstrecken der Welt. Noch einige Jahre länger werden die Motorräder der Superbike-Meisterschaft mit Pirelli-Reifen ausgestattet. Was etwas in Vergessenheit geriet: Pirelli hat auch eine lange Tradition als Hersteller von Fahrradreifen! Bis Ende der 80er Jahre des letzten Jahrtausends wurden Reifen für Rennräder hergestellt.
Fast 30 Jahre nach Produktionsende und nach über zwei Jahren Forschungs- und Entwicklungsarbeit feierte die italienische Reifenschmiede 2017 den erfolgreichen Wiedereinstieg in den Straßenradsport. Auf den vielbeachteten Launch der P ZERO– und Cinturato-Linie in der Rennrad-Sparte folgt nun also der nächste logische Schritt: der Gang in den MTB-Reifenmarkt! Die neuen Reifen heißen Scorpion – und dieser Name kommt nicht von ungefähr. Mit Scorpion-Reifen von Pirelli wurden mehr als 70 Weltmeistertitel im Motocross errungen! Klappt der Transfer von Technologie und Erfahrung aus dem Motorradsport hin zum Einsatz auf Mountainbikes? Was lag also näher, als sich die neuen Reifen mal näher anzuschauen: Ralf schnappte sich ein Radon Testbike, packte es in den Fahrrad-Transportkoffer Bike Case II von B&W und machte sich auf den Weg in den Süden.
Inhalt
Auf geht’s nach Italien!
„Pirelli hat mich nach Castiglione di Sicilia am Ätna auf Sizilien eingeladen und ich durfte den offiziellen Presse-Launch der neuen Pirelli Velo Scorpion MTB Reifenserie miterleben. In der neu erkennbaren Unternehmensstrategie von Pirelli steht nun klar der Endverbraucher im Mittelpunkt jeder Zielsetzung. Pirelli investiert mit seinen insgesamt über 1.400 Ingenieuren und einer R&D-Quote (Research & Development-Quote) von 6,5{09776a9e527fe6e7777aceefa8f4e2f820982470cae700a67e7c7fb2d68155cf} viel in die Entwicklung und Performance der MTB Reifen und es ist ihnen sehr wichtig, sich die gleichen Fragen wie die Endverbraucher zu stellen – nur dann können die Produkte letztendlich am Markt überzeugen. Niemand kann vorhersagen, wohin sich unser Sport noch entwickeln wird und welche Entwicklungen in Zukunft entscheidend sein werden. Die zentrale Fragestellung des Endverbrauchers aus Sicht von Pirelli lautet aber immer: Welchen Reifen benötige ich?
Bei der Neuvorstellung der Scorpion MTB-Serie wurde deutlich, dass Pirelli noch nicht sofort alle Bereiche abdecken wird, die uns unter dem Begriff MTB in den Sinn kommen. Aber mit der vorgestellten Produktpalette sind sie bereits breit in den relevantesten Segmenten aufgestellt. Zumal Pirelli mit dem Scorpion MTB einen anderen Ansatz als andere große MTB-Reifenhersteller verfolgt: Ausgehend von der zentralen Fragestellung denkt Pirelli beim Scorpion MTB nicht in Kategorien, wie beispielsweise für XC, Enduro oder Downhill, sondern vom Einsatzzweck her, sprich: auf welchem Untergrund bist du unterwegs.
Welche Reifen sind am Start?
Alle Reifen besitzen dasselbe innovative Smartgrip Compound als Vollmaterial bzw. Single Layer und sind tubeless ready. Ebenso sind alle Reifen witterungsunabhängig, also für trockenen sowie nassen Untergrund geeignet. Der große Unterschied besteht immer im Profil des Reifens. Form und Höhe der Stollen, die Abstände, Querverbindungen und Winkel: Hier ist besonders die langjährige Erfahrung aus dem Motocross-Bereich mit eingeflossen. Folgende Modelle sind erhältlich:
- Scorpion MTB H: Hard Terrain – für eher felsigen, harten Untergrund
- Scorpion MTB M: Mixed Terrain – für wechselnde Untergrundbedingungen
- Scorpion MTB S: Soft Terrain – für losen, sandigen oder matschigen Untergrund
- Scorpion MTB R: Rear Specific – für den Antrieb am Hinterrad, für gemischte Untergründe
Bis auf den Scorpion MTB R gibt es die Modelle zusätzlich auch noch als Lite-Variante, die, wer hätte es gedacht, leichter ist. Der Pannenschutz ist etwas reduziert, der Rollwiderstand dafür besser. Hier kommt es auf den persönlichen Geschmack an, was einem halt wichtiger ist: maximale Pannensicherheit oder Gewicht und schnelles Rollen. Hinzu kommt, dass es zunächst mit 2,2“ und 2,4“ nur zwei Reifenbreiten geben wird, die jeweils leicht veränderte Stollen besitzen und damit auch auf die Bedürfnisse der einzelnen Fahrertypen spezifisch eingehen. Bei den Reifengrößen werden 27,5“ und 29er abgedeckt.
First Ride: die Pirelli Scorpion sind drauf
Auf einer MTB-Runde mit teils felsigem, teils sandigem Untergrund und auch beides in nass und trocken, konnte ich zwei der Reifen testen. Ich wählte für mein Testbike, ausgestattet mit einem Vorserien-Musterrahmen von Radon, den Scorpion MTB M 2,4“ (M für Mixed Terrain) für vorne und für hinten den Scorpion MTB R (Rear Specific) in der gleichen Breite. Netterweise wurden sie mir von Pirelli auf die 30mm breiten DT-Swiss Felgen aufgezogen. Tubeless-ready-typisch sitzen die Reifen stramm, lassen sich aber mit genügend Kraftaufwand und der richtigen Technik auch ohne Werkzeug montieren. Natürlich wurde direkt auf Tubeless gegangen – und soviel sei schon einmal verraten, die Reifen blieben dicht und Dichtmilch trat an keiner Stelle aus.
Die Reifen gaben mir sofort ein sicheres Gefühl und fuhren sich auch auf den breiten Felgen an einem Trail-Hardtail sehr angenehm. Sie dämpften auch bei einem Luftdruck um die 2 Bar noch sehr spürbar und mir ist direkt aufgefallen, dass beide Reifen sowohl auf sandigem als auch auf felsigem Terrain vollen Grip in jeder Situation generierten. Selbst bei steilen felsigen Abfahrten geriet ich nicht ins Rutschen und hatte immer volle Kontrolle – und da war es erstaunlicherweise egal, ob der Boden jetzt trocken oder nass war, echt krass. Das hatte ich nicht erwartet! Erst recht nicht, da ich den von Pirelli empfohlenen Luftdruck von ca. 2 Bar für Tubeless-Reifen als recht hoch empfand. Die Scorpion zeigten ein gutes Abrollverhalten, bei einer Breite von 2,4“ ist der Rollwiderstand allerdings natürlich nicht auf dem Niveau von schmaleren XC-Rennreifen. Das Verhalten in Kurven war immer berechenbar und der Seitenhalt gegeben, allerdings bin ich auch nicht bis ans Limit gekommen. Trotz gröberen Profils muss ich zur Selbstreinigungsleistung sagen: top! Nachdem der Ausgangspunkt der Tour wieder erreicht war, ist mir erstmal nix aufgefallen. Erst später kam mir in den Sinn, dass ich ja auch gut durch ordentlich Matsch gefahren bin – davon war an den Reifen allerdings nichts zu sehen.
Da ich bisher nur wenige Testfahrten mit den Reifen absolviert habe, gibt es natürlich noch kein Langzeitfazit. Auch Aussagen über die Laufleistung lassen sich erst nach der Saison tätigen. Allerdings dürfte sich das Grip-Niveau durch den Einsatz des Vollmaterials auch nach den ersten paar hundert Kilometern wohl nicht so merklich ändern, wie es bei manchen Konkurrenzprodukten mit Multilayer-Konstruktion der Fall ist. Die Pirellis sind also in meinen Augen mindestens eine Alternative zu den üblichen Verdächtigen.
Eine Info noch zum Design: Die Pirelli Scorpion MTB Reifen werden immer mit silbernem Pirelli-Schriftzug verkauft. Die Reifen mit gelbem Schriftzug, die auf einem Foto zu sehen sind, bleiben (zunächst) den Fahrern des Profi-XC-Teams Trek-Selle San Marco vorbehalten. Alles in allem war es ein lohnender Besuch beim Presse-Launch der neuen Pirelli Scorpion MTB Reifen und ich hoffe, ihr probiert sie auch einfach mal aus und seid ebenfalls so begeistert wie ich!“